Step 18
Mit Sack und Pack kamen wir gegen Abend dann im Elternhaus meines Partners an, luden die Autos aus und verstauten alles erst mal im Keller.
Ich fühlte mich leer, ausgebrannt und war gefühlt am Ende meiner Kapazitätsgrenze angelangt.
Mein Kopf leer und still und gleichzeitig völlig voll und laut.
Wir besorgten uns was zu essen und versuchten zur Ruhe zu kommen, doch noch am gleichen Abend suchten sich erst mal heftige Kopfschmerzen ihren Platz in meinem Schädel, gefolgt von Erbrechen und Durchfall.
Ein paar Stunden später war mein Partner am gleichen Punkt angekommen. Ich hatte mir was eingefangen. In der Villa war dieser Infekt bei einigen aufgetreten und ich hatte ihn wohl mitgenommen.
So lag ich die Nacht wach, lief gefühlte 1000 mal ins Bad, mit dem Eimer auf dem Schoß. In dieser völligen Überforderung war ich nicht mehr in der Lage Energie irgendwas oder irgendwen aufzubringen und so entstand auch noch ein Streit. Am Ende schliefen wir in getrennten Zimmern, was im Nachhinein betrachtet eine notwendige Lösung war, damit jeder zur Ruhe kommen konnte.
Am nächsten Morgen fühlte ich mich immer noch schwach und wollte am liebsten einfach nur schlafen, doch der Streit, der in der Nacht aufgekommen war, entfachte sich erneut.
Für mich ist es aus heutiger Sicht eine natürliche Reaktion gewesen. Denn in meiner Wahrnehmung waren wir beide so am Limit, das jeweils die Unterstützung des anderen erforderlich gewesen wäre. Doch wo keine Ressourcen vorhanden sind, den Partner zu unterstützen und sich das für mich so übermächtig angefühlt hat, explodierte die Situation schnell.
Ich wusste erst mal nicht genau wo hin, doch fing ich an meine wichtigsten Dinge wieder einzupacken. Dann rief ich meinen besten Freund an und fragte nach Asyl. Er sagte zu und so trennten wir uns erst mal räumlich.
Ich blieb ungefähr 6 Wochen dieser Wohnung, führte Telefonate mit der Sektenberatungsstelle, suchte mir Unterstützung bei der Frauenberatung und bei einem Facharzt. Meine Lösungsstrategie war planen um Sicherheit zu generieren.
In dieser Phase war ich auf Hochtouren im Funktionsmodus, meist abgeschnitten von meinen Emotionen und schaute zum ersten mal seit über 6 Jahren gezielt TV.
Ich berieselte mich mit allem was Netflix und Disney+ hergab, nur um Ruhe in meinen Gedanken, oder wahrscheinlich eher in meinen Gefühlen zu erzeugen. Na ja, so hab ich nochmal alle X- Man gesehen und alles was Marvel so hergibt. Ich mag Superheldengeschichten und dass am Ende immer alles gut wird.
Ich traf mich Anfangs nur Stundenweise mit meinem Partner und immer wenn ich oder wir merkten, das der Kontakt zu herausfordernd / überfordernd wird, gingen wir wieder auseinander. Das passierte Anfangs schnell, denn die erlernten Arten der Gesprächsführung im Verein, waren in unseren Begegnungen noch voll am Werk und für mich der Funke, der meine sehr kurze Zündschnur sofort entzündete.
Nach und nach meldeten sich andere Aussteiger bei mir und ich mich bei ihnen. Hier erfuhr ich Verständnis und Annahme und fühlte mich nicht mehr wie ein Alien.
Mit Menschen darüber zu sprechen was ich so erlebt hatte, war herausfordernd und ich hörte auch Sätze wie: "Das wäre mir nie passiert", oder "wieso bist du da denn dann so lange geblieben?"
Parallel stand auch noch die Wohnungssuche auf dem Plan, so quälte ich mich durch dutzende Anzeigen für WG-Zimmer und Wohnungen, ungewiss ob wir zusammen oder erst mal getrennt wohnen würden.
Und eine große Herausforderung lag noch vor mir, denn meine restlichen Habseligkeiten standen immer noch in der Villa und mir war klar, das ich diese noch abholen wollte.
.... Zutiefst berührt habe ich soeben alles gelesen, was du über die Phase in deinem Leben geschrieben hast. Mit mir macht es einiges und ich habe hier und da Kommentare hinterlassen. Ich sende dir Liebe und sende dir, wenn du magst, eine liebevolle, feste, sanfte, wie du es gerade magst und brauchst, eine Umarmung/Umarmungen. Ich weiß, wie krass einem der Boden unter den Boden weggezogen werden kann in intensiven Phasen des Lebens/daseins. Habe auch in ganz jungen Jahren (unter 18 Jahren) Frauennotschlafstellen usw. hinter mir, hatte keine Familie/Freunde und war mit 18 Jahren alleine und einsam. Ich sende dir die nötige Energie, die du immer zu dem Phasen und Zeiten brauchst, um deine Mitte zu finden. Ich möchte dir einfach sagen, du bist nicht alleine damit, auch wenn es sich manchmal so anfühlt und es sehr schmerzhaft ist. Ich behaupte, dass ich dich sehen kann.
AntwortenLöschenVon meinem Herzen zu deinem Herzen, Umwege können die Ortskenntnis erweitern <3