Step 5
Es wurden sogenannte Prozesse gemacht. Dabei bekommt eine Person die
Möglichkeit sich mit Menschen aus der Kerngruppe über ein Thema zu
unterhalten, welches ihn belastet.
Oft wurden sehr intime Themen aus Kindheit, Schulzeit oder dem Familiären
Kontext aufgegriffen.
Ich lernten von Günther und den Mitgliedern mit Erfahrung, sie zeigten mir
wie Prozessführung geht und welche Rädchen wie gedreht werden können, um
einen Menschen an das Thema in der Tiefe zu führen. Diese Tiefe war oft von
Ausbrüchen der Traurigkeit, Wut und Hilflosigkeit der Menschen die im Fokus
standen gezeichnet.
Heute komme ich immer wieder zu dem Punkt, das dies in meinen Augen zu oft
ein Ritt auf einer Grenzlinie war und ich glaube das Menschen dabei zu
Schaden kommen können.
Günther suchte sich seine Personen genau aus, meist junge, schüchterne, sehr
schlanke und mädchenhafte Frauen.
Oder wie er selbst oft erklärte: Menschen mit hohem Bewusstsein oder
Potenzial, nicht zu vergessen, diejenigen die Einfluss in anderen
Gemeinschaften hatten oder Netzwerker mit Reichweite.
War das alles Kalkül oder hatte er auch ehrliche, freundschaftliche Interessen
an Menschen? Diese Frage kann ich bis heute nicht klar beantworten,
oder scheue ich mich vor der Wahrheit?
Ich erinnere mich daran, das schon vorab klar war, das er zuerst aussuchen
darf, wer in seine Prozessgruppe kommt. Wir haben als Gruppe kontinuierlich
vorgegriffen mit Aussagen wie: „ du willst doch bestimmt die oder den …“ es
war einfach normal und die „wichtigen“ Menschen, sollten ja auch den besten
Prozess bekommen, den nur er geben konnte.
Bei einigen Prozessen konnte ich neben der Hauptleitung teilnehmen um zu
lernen.
Güni fuhr eine aus meiner Sicht vorbereitete, gleiche Schiene. Er fragte die
Frauen nach ihren aktuellen und vergangenen Beziehungen, nach ihren
sexuellen Vorlieben, machte Anspielungen zu Dominant/ Devoten Kontexten,
zeigte Borderline Tendenzen bei den Frauen auf, machte Komplimente zu ihrer
Äußeren Erscheinung und präsentierte Lösungen zur Befreiung ihrer sexuellen
Blockaden, oder wie sie ihre Weiblichkeit mehr leben sollen.
Ich hab da noch nicht mal weg geschaut, sondern war blind für dieses seltsame
geschehen. Heute lache ich über mich mit meiner Naivität und schüttel
gleichzeitig den Kopf darüber. Wieso ist mir da nichts seltsam vorgekommen?
Ich erinnere mich an eine junge Frau, welche ein sehr intimes Übergriffthema
in der Gruppe erzählt hat. Sie zitterte, weinte und stand völlig neben sich. Im
Verlauf des Abends ging es ihr immer schlechter, so das sie sich in der Nacht
mehrmals übergeben musste.
Das war für mich sehr verwirrend und ich hörte erst mal zu was die anderen
dazu sagten.
Günther erklärte und ein Urteil war schnell gefällt: „sie will nur
Aufmerksamkeit, sie übertreibt, sie ist im Opfer, Fachbegriffe für Erkrankungen
wie , Histrionische Persönlichkeitsstörung oder Borderlinerin wurden schnell
laut.
Sie wurde mit einem Eimer auf dem Balkon geparkt und ab und an schaute mal
jemand nach ihr, doch selbst die Personen wurden angewiesen, ihr nicht so viel
Aufmerksamkeit zu schenken.
Ich hab mich auch nicht gekümmert, weil ich mit aufsprang auf den Zug derer
die Bewusster sind.
Das hab ich oft getan, denn es brachte mich in einen angenehmen Zustand der
Überlegenheit. Ich fühlte mich dann größer, besser als andere und war gefühlt
sicher, wenn ich den Standpunkt der Gruppe vertrat. Ich war sogar
sauer auf die junge Frau, denn sie war ja „nieder schwingend“ und "zog den
Raum runter" mit ihrer „Opfer-Energie“.
Danke für deine Berichte, auch was in dir vorging und wo du dich zum beispiel überlegen fühltest. Das ist bestimmt ein wichtiger Teil von dem Mechanismus, sich in einer Sekte anzuvertrauen: Sich für überlegen zu halten und die Sicherheit in der Gruppe zu suchen.
AntwortenLöschenzutiefst berührt.....
AntwortenLöschenDeine Beschreibungen von Günthers Vorgehensweise decken sich 1 zu 1 mit meinen Erfahrungen, die ich bei meinem Besuch eines Gastwochenendes gemacht habe. Ich schätze ich falle auch in sein Beuteschema, denn ich erinnere mich, dass er bei einer 2 er-Übung als erstes mich für ein Gespräch ausgewählt und mir Fragen zu den von dir genannten Themen gestellt hat. Er hat mir Komplimente gemacht und mir gesagt, dass wir uns so ähnlich seien, weil wir die und die Beziehungstypen seien ("die, die Leidenschaft und Action brauchen" oder sowas). Alles hatte immer einen sexualisierten Unterton.
AntwortenLöschenAm Ende des Wochenendes hat er mehrmals gesagt, wie gerne sie mich doch als Mitglied hätten.
Einerseits fühlte ich mich natürlich geschmeichelt, andererseits hat Günther von Anfang an ein komisches Gefühl in mir hervorgerufen. Regelrechtes Misstrauen und Gefahr. Meine Erfahrung mit den anderen Gruppenmitgliedern waren wunderschön und ich habe oft überlegt, noch einmal an einem Wochenende teilzunehmen, aber diese skeptische Stimme in meinem Hinterkopf hat mich dann doch immer wieder davon abgehalten. Deine Erzählungen hier bestätigen einfach nur all die Zweifel, die ich damals gehegt habe und deswegen glaube ich dir jedes einzelne Wort 🤍 Danke dass du so mutig bist und das alles offen machst!