Step 4

 

Ich lernte pausenlos neue Konzepte, psychologische Theorien, es begann der

dauerhafte Prozess der Selbst- Reflexion.

An den Wochenenden mindestens vier bis fünf Stunden lange monologisierte

Vortragsfluten durch den Leiter Günther (52), den alle jedoch Jay nannten.

Er war die Speerspitze der Gemeinschaft, gab den Weg vor, denn nur Er war,

wie er es gebetsmühlenartig im Raum kundtat, „der bewussteste im Raum“

und „die alleinige Hauptleitung“.

Er gab mit seinen Reden die einzige und wahrste Wahrheit vor. Gäste die bei 

seinen Erzählungen über die Weltlage kritisch reagierten, wurde die 

Möglichkeit eröffnet, den Raum jederzeit verlassen zu können, wenn sie 

"die Wahrheit" nicht hören könnten.

Die Möglichkeit, das die Erde vielleicht flach ist, oder mehrere Ebenen

hat, fand ich eher spannend als beängstigend.

Keines der großen Szenarien, welche er vom Untergang der Menschheit in den

Raum gestellt hatte, ist jemals eingetroffen.

Ich war damals begeistert, Werkzeuge an die Hand zu bekommen, welche es

mir ermöglichten, in die Selbstanalyse zu gehen, mich einzuordnen, meine

Traumata der Kindheit zu erkennen, zu verstehen, aufzuarbeiten und auch

andere mit der erlernten (oder eingeübten) Kompetenz und Wissen in ihren

Themen zu begleiten.

 

Heute halte ich das an vielen Stellen für eine Falle und auch für problematisch

bis gefährlich, denn was ich in dieser Zeit angeschaut und

„überwunden“ habe, was nicht immer aus mir heraus kam, sondern durch

andere gepusht wurde, sind auch Wunden geschaffen worden. Ich glaube

unsere Schutzsysteme wissen genau, warum sie manche Themen im Dunkeln

lassen.

 

Ein Gedanke der mich auch nicht loslässt ist, ob ich wirklich bei meinen

sensibelsten Themen unterstützt wurde, oder ob ich mich einfach habe

ausleuchten lassen. Ob ich durch die Informationen aus meinen Erlebnissen

aus der Kindheit eine Möglichkeit zur Beeinflussung für Menschen geöffnet

habe und somit lenkbar wurde?